15:00 Uhr – Kaffee & Kuchen

“Das vermisse ich in der Schweiz”, wir sitzen beim Frühstück und ich tausche mich bei Brötchen und Kaffee mit der Braut über den gestrigen Tag aus. Nach dem offiziellen Ja-Wort in der bayerischen Kirche wurde hier nämlich mit Kaffee und Kuchen gefeiert und ihr geht es genauso. Neben der Hochzeitstorte, mit Donauwelle und Marzipan, bedienten wir uns am Vortag nämlich an Variationen aus Schokolade, Zitrone oder Apfel, mit Streuseln und ohne, mit Sahne oder schlichtem Biskuit. Zum Kuchen gehörte auch hier eine grosse Tasse Kaffee. Und auch wenn es ein Freitag war, für mich kam in diesem Moment das besondere “Sonntag 15:00 Uhr”-Feeling auf.

Zu Besuch in Bayern: Mit dem Camper ging es letztes Wochenende Richtung Kaffee und Kuchen.

Denn egal ob Geburtstag, Weihnachten oder die Konfirmation: Gefeiert wird in meiner Heimat am Sonntag um 15.00 Uhr mit Kaffee und Kuchen. Mal klassisch mit Apfel und Mandelsplittern, manchmal aber auch sahnig mit Schwarzwälderkirsch oder fruchtig mit getränktem Orangen-Guglhupf. Ab und zu mit frisch geschlagener Sahne dazu. Dafür wird selbstverständlich das gute Geschirr aus der “Oma-Vitrine”, einem Erbstück meiner Uroma, geholt. Das Geschirr mit den viel zu kitschigen grünen Blumen aus den Neunzigern oder sogar Achtzigern. Das Geschirr, das ich wohl einmal, vor allem wegen seines emotionalen Wertes und der Erinnerung an Kaffee-und-Kuchen-Stunden, erben möchte. Die Servietten erhalten zur Feier des Tages Serviettenringe, den Tisch schmückt eine dazu passende Tischdecke und in der Mitte bleibt Platz für den Kuchenteller.

In den 1990ern: Schon früh nehmen wir an der Kaffeetafel Platz.

So warteten wir schon in meiner Kindheit stets ab ca. 14:30 Uhr auf die Gäste. Vom Apéro der Schweiz um 16.00 oder 17.00 Uhr – so genau nehmen sie es da ja nicht – habe ich damals, als ich gerade über die Tischkante schauen konnte und von den Sonntagsgesprächen über Politik und Versicherungen nicht einmal die Hälfte verstand, noch nichts geahnt. Ich habe nicht geahnt, dass es Menschen gibt, die ohne dieses Sonntagsgefühl bestehend aus Zucker und dem Duft von Filterkaffee leben und stattdessen auf Oliven, Käse, Fleisch und ein alkoholisches Getränk nach Wahl setzen.

Und so ist es dieses Sonntagsgefühl, das ich in der Schweiz bis heute vergeblich suche. Nicht nur, weil die Kuchenauswahl dramatisch klein ist (und eine Wähe ist für mich kein Kuchen), sondern auch weil Kuchenessen gemeinschaftlich und mit einer gewissen Selbstverständlichkeit passieren muss. Und so fühlte ich mich bei meinen Versuchen, den Schweizer:innen dieses Gefühl näherzubringen, meist eher wie eine Schauspielerin, die den Schweizer Komparsen erklären muss, was sie jetzt tun müssen. Es fühlte sich gestellt und gesucht an.

Und so bleiben mir und der deutschen Braut mit Schweizer Ehemann weiterhin stets die Vorfreude auf einen Heimatbesuch und ein Ankommen, bei dem der Kuchen bereit steht und nur noch der Kaffee gekocht werden muss.

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