In guter Gesellschaft
„Gehst du noch in den Ausgang?“, mit meinem Kamerarucksack auf dem Rücken bin ich gerade dabei mich bei dem Event, den ich gerade festgehalten habe, zu verabschieden, als mir die Frage an diesem Freitagabend gegen 22.00 Uhr gestellt wird. Es ist eine Frage, die mir früher eher rhetorisch gestellt wurde, denn die Antwort war klar. Denn die Antwort war: „Klar!“
Heute ist das anders. Heute gehe ich meistens lieber nach Hause. Nicht nur weil ich am nächsten Tag fit sein möchte. Auch weil ich momentan die Ruhe suche.
Dabei gab es Zeiten in meinem Leben, in denen es mir echt schwer fiel, allein zu sein. Ich war ständig unterwegs. Und wenn ich nicht unterwegs war, begleitete mich oft die „Angst“ etwas zu verpassen. Manchmal begleitete mich diese Angst sogar dann, wenn ich unterwegs war. Denn unterwegs sein, kann ich nur an einem Ort. Und wenn gerade mehrere Optionen zur Wahl stehen, muss ich mich eben entscheiden und stellte mir dann unweigerlich die Frage, die mit „was wäre wenn“ beginnt.
Geändert hat sich das, glaube ich, während der Corona-Jahre. Die Zeit, die uns alle irgendwie geprägt hat. Einige wollten danach endlich wieder losziehen, andere wollten plötzlich weniger. Weniger von allem. Vom Lärm, vom Konsum, von den äusseren Einflüssen. Während um mich herum alles wieder Fahrt aufnahm, kam ich nicht mehr mit. Ich suchte nach Ruhe, die mich zwischendurch auch mal überfordert hat, wenn sie dann da war, wenn viele Gedanken kamen und ich sie zuliess.
Doch seither hat sich die Ruhe ihren Platz in meinem Alltag gesichert. Mittlerweile merke ich wenn meine „Social Battery“ voll ist. Und wenn ich darauf mal keine Rücksicht nehmen kann, merke ich das an meinem Energie-Level.
Nun geniesse ich auch mal kleine Ausflüge allein, zum Beispiel nach Luzern, für einen Kaffee und einen Stop in meinen Lieblingsläden. Ich geniesse die Zeit beim Yoga, die ich mir bewusst einmal die Woche nehme. Ich geniesse auch die 40 Minuten, die ich, mit Nadeln im Körper, liegend bei der Akupunktur verbringe. Eigentlich in der Hoffnung, damit meinen Heuschnupfen nach 30 Jahren zu verabschieden. Doch die Nebenwirkung “Alltagspause” geniesse ich direkt mit. Und ich freue mich, an einem Samstagvormittag vier Stunden in einem Buch zu blättern, während die Kirchenglocken läuten, Vögel um mein Vogelhäuschen flattern und ich dabei entspannt ein, zwei Kaffees mit Hafermilch trinke. Und wenn ich dann am Samstagnachmittag noch verabredet bin, kann ich die Zeit unter Menschen sogar noch mehr geniessen. Denn ich habe Zeit, mich darauf vorzubereiten und im Anschluss Zeit, die Gespräche nochmal in Ruhe Revue passieren zu lassen.
„Und am Ende bin ich dann ja doch auch ständig in guter Gesellschaft. In guter Gesellschaft mit mir selbst“, denke ich, verabschiede mich aus der Runde und freue mich nach diesem langen Arbeitstag nicht auf den Ausgang, sondern auf mein zu Hause.